Edgar Wallace
GLR | 28.11.2021, Update 29.12.2021, 8.4.2024, 14.4., 24.4.
Richard Horatio Edgar Wallace
* 1. April 1875, † 10. Februar 1932
Über den Autor
Edgar Wallace war ein englischer Schriftsteller, Drehbuchautor, Regisseur, Journalist und Dramatiker. Er gilt als einer der erfolgreichsten Krimi-Autoren der Welt. Er schrieb 175 Romane, 24 Theaterstücke und zahllose Artikel in Zeitschriften und Journalen.
Interessantes über die Schreibmethode von Edgar Wallace findet sich im englischen Wikipedia:
Wallace sprach seine Worte auf Wachswalzen (die damaligen Diktiergeräte), und seine Sekretärinnen tippten den Text ab. Dies mag der Grund sein, warum er so schnell arbeiten konnte und warum seine Geschichten einen erzählerischen Drive haben. Viele von Wallaces erfolgreichen Büchern diktierte er auf diese Weise in zwei oder drei Tagen, eingeschlossen mit Stangen Zigaretten und endlosen Kannen süßen Tees, und arbeitete oft fast ununterbrochen in 72 Stunden.
Die meisten seiner Romane wurden in Abschnitten fortgesetzt, aber auf diese Weise geschrieben. Die Fortsetzungsgeschichten, die stattdessen stückweise geschrieben wurden, haben eine deutlich andere erzählerische Energie, die den Leser nicht auf der Welle der Geschichte mitreißt. Wallace redigierte seine Werke nach dem Diktieren und Abtippen nur selten selbst, sondern schickte sie direkt an die Verlage, da er die Überarbeitung seiner Werke durch andere Redakteure strikt ablehnte. Der Verlag prüfte seine Werke vor dem Druck nur oberflächlich auf sachliche Fehler.
Wallace sah sich mit weit verbreiteten Anschuldigungen konfrontiert, daß er Ghostwriter einsetzte, um Bücher zu schreiben, obwohl es dafür keine Beweise gibt, und seine Produktivität wurde zum Gegenstand von Karikaturen und Skizzen. Seine "Drei-Tage-Bücher", die er abspulte, um die Kredithaie von der Tür fernzuhalten, wurden von der Kritik kaum gelobt, und Wallace behauptete, in seinen eigenen Werken keinen literarischen Wert zu sehen.
Zum Stil
Die klamaukhaften deutschen Verfilmungen (siehe unten) haben das deutsche Publikum leider von den Stärken des Stils dieses Autors abgelenkt. Edgar Wallace schreibt ungekünstelt, direkt, bodenständig und mit einem gehörigen Maß an gesunder Menschenkenntnis. Aus seinen Werken spricht eine tiefe Lebenserfahrung, die er in teilweise spröde, hintergründig humorvolle, oft auch saloppe und kernige Formulierungen umsetzt. Für eine intellektuelle Leserschaft, deren Erwartungen in Deutschland leider oft als alleingültiger Maßstab dienen,
mögen seine Schriften plump und grobschlächtig wirken. Das ändert aber nichts an ihrer Qualität und hintergründigen Substanz.
Man kann Edgar Wallace auch mit Recht als Meister der verblüffenden Auflösungen bezeichnen. So gut wie alle seiner Romane beinhalten eine überraschende Wendung, die mitunter wie ein gelungener Zaubertrick wirkt. Ein gutes Beispiel sind seine Frühwerke, die Afrika-Romane, die ihm seinerzeit (ab 1911) zum Durchbruch verhalfen. Sie bestehen aus einzelnen Kurzgeschichten, die am Ende stets durch eine geschickte Pointe, manchmal in Form einer unerwarteten Auflösung, manchmal in Form einer Lebensweisheit, mitunter auch durch einen komischen Effekt
beeindrucken.
Es gibt wohl wenig Autoren, die über einen derart üppigen Einfallsreichtum verfügt haben und mit immer neuen Konstellationen und Auflösungen aufwarten konnten.
Zitate
Wenn mir interessante Aussprüche von Edgar Wallace unterkommen — sie sind in der Regel ziemlich versteckt, als kurze Zwischenbemerkungen, in seinen Romanen zu finden — gebe ich sie hier wieder:
Die menschliche Natur bleibt immer dieselbe, daran ändern auch die modernen Zeiten nichts.
(Aus einem seiner Romane, ich weiß leider nicht mehr, aus welchem)
Wiederkehrende Motive
Es gibt bei Edgar Wallace einige Motive bzw. Handlungsmuster, die mit einer auffallenden Häufigkeit in seinen Werken zu finden sind. Zum Beispiel:
- Detektiv oder auch Inspektor bei Scotland Yard verliebt sich in eine attraktive (stets schlanke) junge Frau. Diese ist oft Erbin, und die Erbschaft wird erst durch die Aufklärungsarbeit und die Überführung eines oder mehrerer Verbrecher zugänglich.
- Aufgenötigte Ehe. Zum Beispiel, indem die Berechtigung auf Erhalt einer überaus hochdotierten Erbschaft vom Eheschluß eines jungen Mannes mit der Erbin abhängig gemacht wird. Meistens steht die zu verheiratende Frau der Heirat zuerst aus Gewissensgründen völlig ablehnend gegenüber, läßt sich aber dann doch zum Eheschluß drängen. Die Ehezeremonie findet unter kühlen und ernüchternden Umständen statt. Am Ende nähern sich die "Zwangsverheirateten" einander an. Es stellt sich zunehmend ein wachsender gegenseitiger Respekt ein.
Ähnliche Konstellation: Der Mann tritt zuerst als verwahrloster gesellschaftlicher Außenseiter auf und wird von der Frau, die später zur Heirat mit ihm genötigt wird, heftig verabscheut. Er entpuppt sich dann aber nach und nach als intelligenter, gütiger und selbstloser Charakter.
Es fällt auf, daß Edgar Wallace hier ein Muster immer wieder variiert, das sonst weder in der Literatur noch
in Filmen bzw. im herrschenden Denken vorkommt, und ich vermute, daß eigene persönliche Erfahrungen hier eine Rolle spielen. Es gibt keine einfache, klischeehafte Liebesaffäre mit Happy-End, sondern die Partner beiderlei Geschlechts lernen während verschiedener Krisen und Gefahrensituation ihren wahren menschlichen Wert kennen und schätzen. Diese Art von Deutung und Darstellung von Partner- und Ehebeziehungen fällt, was übliche Krimiliteratur betrifft, völlig aus dem Rahmen.
- Das geheimnisvolle Haus (so auch der Titel eines der Romane): Ein Gebäude mit versteckten architektonischen und elektronischen Einfällen und Besonderheiten. Meist wird es vom Hauptschurken als Zentrale und Hauptstandort benutzt. Manchmal finden sich versteckte Geheimgänge, eventuell auch mit Verbindung zu früher angelegten Bergwerksschächten und Tunneln.
- Ältere Frau in der Art einer "Grande Dame", oft mit Adelstitel, die ein Geheimnis verbirgt. Ihr Charakter ist gleichzeitig hart, unerbittlich, extrem kontrollierend und eisern. Erst im weiteren Verlauf der Handlung erweist sich, daß sie nicht kriminell ist, sondern einem eigenen Ehrenkodex folgt. Sie wird, da von allen mißverstanden, zur tragischen Gestalt.
Werke
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Sanders (Afrika-Romane)
- Sanders Of The River 1911 (dt. Sanders vom Großen Fluß, 1929)
- The People Of The River, 1911 (dt. Die Eingeborenen vom Strom, 1929)
- The River Of Stars, 1913 (dt. Der Diamantenfluß, 1928 — siehe Krimis; die Person Sanders kommt nur am Rande vor)
- Bosambo Of The River, 1914 (dt. Bosambo vom Großen Fluß, 1926)
- Bones, 1915 (dt. Bones in Afrika, 1928)
- The Keepers Of The King’s Peace, 1917 (dt. Hüter des Friedens, 1929) [4½]1
- Lieutenant Bones, 1918 (dt. Lieutenant Bones, 1927)
- Bones in London, 1921 (dt. Bones in London, 1928)
- Sandi the Kingmaker, 1922 (dt. Sanders der Königsmacher, 1928
- Bones of the River, 1923 (dt. Bones vom Strom, 1927)
- Sanders, 1926 (dt. Sanders, 1951)
- Again Sanders, 1928 (dt. Am großen Strom, 1931) [4½]
Die Vier Gerechten
- Die vier Gerechten (The Four Just Men), 1905
- Die drei von Cordova (The Just Men of Cordova), 1917 [4]1
- Das Gesetz der Vier (The Law of the Four Just Men), 10 Kurzgeschichten, 1921 [4]
- Das silberne Dreieck (Again the Three Just Men), 1929
J. G. Reeder
- Zimmer 13, 1924
- Der sechste Sinn des Mr. Reeder, 1925
- John Flack, 1927
- Mr. Reeder weiß Bescheid, 1929
- Zwei Kurzromane (zulu-ebooks.com)
- Der Lügendetektor, 1932 [2]
- Der Mann im Hintergrund, 1932 [4]
Inspektor Elk
- Der Frosch mit der Maske, 1925 [5]1
- Der Joker, 1926
- Ein gerissener Kerl, 1928 [4]
- Der Teufel von Tidal Basin, 1930 [4]
Superintendent Minton
Hexer
Weitere Krimis
- The Council Of Justice, 1908
- Der Safe mit dem Rätselschloß (Der verteufelte Herr Engel; engl.: Angel Esquire), 1908 [3]
- The Nine Bears, 1910
- Die vierte Plage (The Fourth Plague), 1913
- Grey Timothy, 1913
- Der Diamantenfluß (The River of Stars), 1913 [4]
- Kerry kauft London (The Man Who Bought London), 1915
- Die Melodie des Todes, 1915 [4]
- Die Schuld des Anderen, 1916 [4]
- The Tomb of T’Sin, 1916
- Das geheimnisvolle Haus (The Secret House), 1917 [4]
- Der Mann mit den zwei Gesichtern (The Strange Lapses of Larry Loman), 1917
- Die gebogene Kerze (The Clue of the Twisted Candle), 1918
- Der Derbysieger (Down Under Donovan), 1918 [5]
- Der grüne Brand (The Green Rust), 1919
- Käthe und ihre Zehn (Kate Plus 10), 1919
- Der Mann, der alles wußte (The Man Who Knew), 1919
- Das Geheimnis der gelben Narzissen, 1920 [4]
- Die Todeskarte (auch als: Treffbube ist Trumpf) (Jack O’Judgment), 1920
- The Crimson Circle, 1922 (dt. Der rote Kreis, 1931)
- A. S. der Unsichtbare (The Valley of Ghosts), 1922 [4]
- Der grüne Bogenschütze, 1923 [3]
- Das Geheimnis der Stecknadel (The Clue of the New Pin), 1923 [5]
- The Dark Eyes of London, 1924 (dt. Die toten Augen von London, 1929)
- Das Gesicht im Dunkel, 1924 [?]
- Der Doppelgänger, 1924 [4]
- Die blaue Hand, 1925 [3]
- Die seltsame Gräfin, 1925 [3]
- Töchter der Nacht, 1925 [?]
- Der Rächer, 1926 [4]
- Der Mann von Marokko, 1926 [4]
- Die gelbe Schlange, 1926 [4]
- Die Bande des Schreckens, 1926 [4]
- Geheimagent Nr. 6, 1926 [4]
- Penelope von der »Polyantha«, 1926 [3]
- Der viereckige Smaragd (The Square Emerald), 1926 [3]
- Die Millionengeschichte, 1926 [4]
- Mary Ferrera spielt System (We shall see), 1926 [3]
- Der Zinker (The Squeaker), 1927
- Gucumatz, 1927 [4]
- Der Mann, der seinen Namen änderte, 1927 [4]
- Der Preller, 1927 [5]
- Der Brigant, 1927 [4]
- Louba der Spieler, 1927 [0]
Das Verrätertor, 1927 [4]
- Überfallkommando, 1928 [4½]
- Der Redner, 1928 [5]
- The Gunner (Hände hoch!), 1928 [5]
- Kurzkrimis, 1928 (zulu-ebooks.com)
- Der Dieb in der Nacht [4½]
- Harry mit den Handschuhen [4½]
- Der unbekannte Boxer [4½]
- Das Steckenpferd des alten Derrick, 1928 [4]
- Die Abenteuerin, 1929 [5]
- Der Goldene Hades, 1929 [2]
- Turfschwindel, 1929 [4]
- Der unheimliche Mönch, 1929 [3]
- Klub der Vier, Kurzgeschichte, 1929 [3]
- Der leuchtende Schlüssel, 1930 [4]
- Die Gräfin von Ascot, 1930 [3]
- Feuer im Schloß, 1931 [4]
- In den Tod geschickt, 1931 [4]
- Gangster in London, 1932 [4]
- Das indische Tuch, 1933 [4]
- Der Fall Stretelli - Das Diamantenklavier [2½] (zulu-ebooks.com)
- Vier Kriminalgeschichten (zulu-ebooks.com)
- Die Abenteuerin, 1929 [5]
- Der betrogene Betrüger [4]
- Die Privatsekretärin [4½]
- Der Herr im dunkelblauen Anzug [4½]
- Erzählungen/Kurzromane (zulu-ebooks.com)
- Doktor Kay [5]
- Der Selbstmörder [5]
- Indizienbeweis [1]
Allgemeine
Anmerkung zu den deutschen Verfilmungen
Hier ist der Platz für eine energische Warnung:
Ich habe noch keine einzige Verfilmung eines Edgar-Wallace-Romans angetroffen, die einigermaßen den Büchern gerecht wird.
Die meisten überraschenden Wendungen und Auflösungen der in den Büchern enthaltenen Rätsel und Verwirrungen kommen in den Filmen nicht vor. Vermutlich weil sie, da meist recht intelligent und verblüffend angelegt, dem Kino- und (später Fernseh-) Zuschauer nicht zugemutet werden sollten.
Speziell die deutschen Verfilmungen, die massiv für die hierzulande weit überwiegende falsche Einschätzung des Autors verantwortlich sind, kann man nur unter die Rubrik "Klamauk" einordnen.
Einführungsaudio
GLR Audio-Lesungen
Edgar Wallace - Lord wider Willen
Komplett-Lesung von GLR.
Weblinks